Montag, 26. Juni 2017

26.06.2017 Nachbetrachtung / Berlin (D)

Fünf Wochen Segelurlaub - das hat man nicht jedes Jahr.
Ich möchte diese Zeit hier Revue passieren lassen und ein wenig in Zahlen verpacken.

Wir sind ehrlich und geben zu, dass wir uns mit unserem Ziel (einen Fjord in Höhe Bergen) fast ein wenig übernommen haben. Der Weg bis nach Stavanger zog sich, die Wetterlage mit überwiegend West und Nordwestwinden und den vielen Schwachwindtagen machte es uns nicht gerade einfacher. Uns blieb nur eine Woche, um den Hardangerfjord zu einem Teil zu befahren.
Trotzdem haben wir keine Seemeile bereut. Norwegen ist schön.
Besonders die Landschaft in Fjordnorwegen hat uns sehr beeindruckt. Eine Landschaftsform, die ich eher nach Neuseeland oder ins südchinesische Meer gepackt hätte. Hohe, steile Berge, ganz oben sieht man den Schnee liegen, aus dem oft mehrere Wasserfälle entspringen, die in mehreren Kaskaden bis ins Tal oder ins Meer fließen. Die Berge sind bis zur Wasserlinie üppig grün. Ganz Norwegen war zu unserer Zeit vor Ort üppig grün.
Die Norweger sind sehr aufgeschlossen, kontaktfreudig, unkompliziert und hilfsbereit ... und so viele sprechen akzentfrei deutsch. Ein Land zum immer und immer wieder hinfahren - wenn es nicht so weit weg wäre.



Wir haben nach 5 Wochen 1350 Seemeilen im Kielwasser; das sind 2500 km.
Leider mussten wir den überwiegenden Teil - 756 sm - unter Motor bewältigen. Nur 594 sm durften wir segeln. Wir besuchten in zwei Ländern (Dänemark und Norwegen) 19 Häfen, davon kannten wir nur Klintholm und natürlich unseren Heimathafen. Alle anderen Häfen waren neu für uns.
Wir waren an 25 Tagen auf See und verbrachten 10 Tage an Land. Zweimal waren wir über Nacht unterwegs - keine Reisezeit, um die wir uns reißen. Der erste Törn, eine Nachtfahrt, (Neuhof -> Anholt) war mit 185 sm der längste.
Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit unter Segeln betrug immerhin 6,5 ktn (12 km/h).

Die Nordsee und das Skagerrak haben für uns viel von ihrem Schrecken verloren. Auch nur Wasser, was, mit einer längeren Welle, vor sich hinschwappt.
Wir werden garantiert kein Fan von Tidengewässer. Zwar war der Tidenhub mit rund plus/minus 40 cm nicht besonders groß, aber der Tidenstrom ist mit bis zu 1,5 ktn trotzdem vorhanden - und nervig, wenn er gegenan kommt. Das gibt es in der Ostsee nicht und das ist gut (und bequem) so.

Seglerisch haben wir so einiges dazugelernt und fühlen uns immer sicherer. Wir hatten mit einer Bandbreite von Flaute bis Windstärke 7 ja auch genug Übungsmöglichkeiten. Alle unsere An- und Ablegemanöver haben gut geklappt ... das hatten wir noch nie.
Diese Fahrt hat großen Appetit auf mehr gemacht. Mehr Zeit, mehr Strecke - Lofoten, Shetlands, Kanaren - Nordsee, Nordmeer, Atlantik - wir würden uns trauen.


Sonntag, 25. Juni 2017

24./25.06.2017 schwierige Heimfahrt / Neuhof (D)

Ich hatte mir schon so oft Gedanken darüber gemacht.
Bei einer Crew, die nur aus ganzen zwei Seglern besteht, kann es schnell mal passieren, dass einer komplett ausfällt. Man denke nur an meinen Sturz vor drei Wochen. Wäre es schlimmer ausgegangen, ich im Krankenhaus gelandet, hätte Harry - ziemlich weit weg von Deutschland - allein mit dem Boot dagestanden. Und dann?

Diesmal war ich die "Überlebende". Aber fangen wir von vorn an.
Wir standen kurz nach sieben Uhr auf und setzten uns zum Frühstück an den Tisch. Uns stand mit gut 50 sm zwar kein langer Törn bevor, aber wir wollten auch nicht zu spät in Neuhof ankommen. Am späten Nachmittag sollte der Wind vor der deutschen Ostseeküste 6-8 Bft erreichen. Wir wussten auch, dass das Wetter bereits im Tagesverlauf eher sportlich wird. In der Vorhersage standen satte 4-7 Bft Wind und um die 1,50 m Wellenhöhe. Bei diesem Wetter und  einer Strecke von gut 50 Seemeilen muss man mit 8-9 Stunden Fahrt rechnen.
Harry hatte nicht so recht Appetit, aß recht wenig und hatte auch später beim Klarmachen des Bootes leichte Probleme mit dem Kreislauf.
Nach dem Ablegen gegen halb neun Uhr kämpften wir uns durch die auflaufende Welle vor der Hafeneinfahrt. Später, nachdem wir die Segel gesetzt hatten, übernahm ich die erste Ruderwache. Harry löste mich um zehn Uhr ab. Wir wollten uns wieder stündlich abwechseln, da Wind und Welle etwas anstrengend waren.

Da war die Welt noch leidlich in Ordnung ... Abfahrt aus Klintholm.
Kaum eine halbe Stunde später musste ich Harry wieder ablösen. Sein Kreislauf machte nicht mehr mit, die Hände kribbelten, die Knie wurden ihm weich. Und dann kam der Rest - die Seekrankheit schlug mit fester Faust zu. Obwohl auch Harry präventiv eine Tablette genommen hatte, räumte es ihn aus. Wer es noch nicht selbst erlebt hat, kann es kaum nachfühlen. Wir kennen und fürchten es beide. Seekrank zu werden ist kaum beeinflussbar. Es überfällt dich, wenn du am wenigsten damit rechnest. Harry hing eine Weile an der Reeling und legte sich später auf den Cockpitboden  vor dem Niedergang; schwach, elend und frierend.
Mir rasten hundert Gedanken durch den Kopf. Ich musste damit rechnen, dass Harry sich während der Fahrt nicht mehr erholen wird; es könnte ihm auch noch schlechter gehen. Für diesen Fall haben wir neben Tabletten gegen Reisekrankheit auch noch Zäpfchen mit ähnlichem Wirkstoff - die kann man nicht so einfach erbrechen....
Für meine eigene Beruhigung erstellte ich mir einen Notfallplan mit mehreren Varianten. Geht es Harry schlechter, muss ich in Barhöft reinfahren. Dieser Hafen ist allerdings sehr klein und eng und ich wusste noch nicht, ob ich es schaffen würde, Leinen und Fender vorzubereiten. Mein sicherster Plan war, bis nach Stralsund zu kommen und mir dort , wie ich es auch für Barhöft gemacht hätte, vorab per Funk Hilfe beim Anlegen zu organisieren. Irgendwer hat immer sein Funkgerät auch im Hafen an. Stralsund hat den Vorteil, weiträumig zu sein, mit einigen Möglichkeiten der Windabdeckung, um das Boot unter Autopilot vielleicht doch für das Anlegen vorbereiten zu können.
Wind und Welle gaben sich derweil alle Mühe, mir das Leben schwer zu machen. Wir waren bei den mittlerweile fünf, größtenteils jedoch sechs Windstärken recht gut unterwegs, Ari flog bei gerefftem Großsegel mit gut 8 Knoten durchs Wasser. Das war allerdings, zusammen mit der von schräg hinten einlaufenden Welle, zuviel für unseren Autopiloten. Der gab, kaum dass ich ihn aktivierte, schnell wieder auf. Er konnte bei den Böen bis in die 7 Bft einfach den Kurs nicht mehr halten. Das verbannte mich ans Steuer. Ich konnte mich weder richtig um Harry kümmern, noch um mich. Essen, Trinken, Toilette - alles rückte  plötzlich unerreichbar in die Ferne. In kleinen Windpausen mit nur 5 Bft, wenn die großen Wellen gerade durch waren, ließ sich der Autopilot für ein bis zwei Minuten zur Arbeit überreden. Dann konnte ich schnell eine Decke für Harry holen, beim nächsten Mal einen Müsliriegel und eine kleine Flasche Wasser für mich. Schon hörte ich das Piepen, das der Autopilot von sich gab, wenn er mal wieder seine Arbeit einstellte. Nach gut drei Stunden musste ich den armen Harry leider ans Ruder stellen. Wir hatten das Fahrwasser westlich Hiddensee erreicht. Das wird, südlich von Hiddensee, sehr schmal. Links und rechts stehen die Möwen im Wasser und schauen dir in die Augen - soll heißen, es wird neben dem Fahrwasser sehr schnell sehr flach. Deshalb wollte ich die Segel vor der Einfahrt in das Fahrwasser herunter haben.
Das Fahrwasser führte, kurz vor dem Festland und dem Hafen Barhöft, direkt in den Wind. An dieser Stelle war es aber zu schmal, um dort die Segel bei starkem Wind einzuholen. Außerdem wusste ich nicht, ob Harry das wirklich schaffte. Für den Fall, das nicht, hatte ich allerdings noch keine Lösung. Den Autopiloten konnte ich bei den anhaltenden 6-7 Bft nun endgültig abschreiben. Aber Harry hielt, obwohl er am ganzen Körper schlotterte, so lange durch, bis ich die Segel "irgendwie" eingerollt bekam. Danach ging es ihm aufgrund der Anstrengung wieder schlechter und alles ging von vorne los.
Ich steuerte Ari, nun unter Motor, eiernd durch Wind und Welle - und den immer stärker werdenden Regen. Es war sehr schwer, das Boot im schmalen Fahrwasser zu halten. Zum Glück wird es so weit draußen, ungefähr mittig der Insel, neben dem Fahrwasser, noch nicht so schnell flach - ich durfte mir also noch ein paar kleine Fehler leisten. Ich war froh, dass der Motor seinen Job so gut machte. Dank des Stroms (Gellenstrom genannt) auf dieser Seite Hiddensees düsten wir immer noch mit über 7 Knoten Geschwindigkeit durchs Wasser.
Je weiter ich unter das Südende von Hiddensee kam, um so ruhiger wurden Wind und Welle, dank der Abdeckung durch das Land der Insel Bock. Hier hatte ich nur noch mit 3-4 Bft Gegenwind und kaum noch Welle zu tun. Endlich konnte ich den Autopiloten einschalten und mich für ein paar Minuten hinsetzen, ausruhen und mich um Harry kümmern.
Eine Stunde später und viereinhalb Stunden nach seinem Ausfall, war Harry kurz vor Stralsund soweit stabil und ausgeruht, dass er das Steuer übernehmen konnte. Ich zog erst einmal meine klitschnasse Kleidung aus. Meine Segelkleidung hat, obwohl selbst klatschnass, gut ihren Job gemacht und kein Wasser durchgelassen. Allerdings hatten diverse Wellen, die aufgrund ihrer Höhe komplett übers ganze Boot flogen, soviel Wasser über mir ausgegossen, das mir dies bis unter die Jacke drang und ich bis auf die Haut nass war. Zu blöd, wenn man seine Kapuze nicht aufsetzt; die hätte mich besser geschützt. Aber es war warm und mir eh schon alles egal.
Es ging so gut aus, dass wir mit nur wenig Wartezeit auf dem Wasser die Öffnung der Ziegelsteinbrücke in Stralsund um 15:20 Uhr schafften, So liefen wir, bei bereits wieder auffrischendem Wind, nach siebeneinhalb Stunden Fahrt im Heimathafen ein.
Was für ein Abschluss - Petrus und das Schicksal haben uns nochmal so richtig den Stinkefinger gezeigt. Ich kochte uns schnell ein paar Nudeln, mehr war einfach nicht drin. Harry ruhte sich dann weiter aus.
Später am Abend traf ich mich mit einem Kollegen, der mit Freunden zum Angeln im Hafen war, auf ein Bier und konnte so ein wenig abschalten - danke Stoffi :-)

Sonntag, 25.06.2017
Noch einmal ausschlafen, ein letzten Frühstück an Bord, Sachen packen, Boot aufräumen und ... Urlaubsende. Fühlt sich komisch an. Wir waren mit fünf Wochen so lange unterwegs wie noch nie. Noch kann ich es mir nicht vorstellen, am Montag wieder im Büro zu sitzen - meine Kollegen und Chefs bestimmt schon.
Die Autofahrt nervte - zu schnell, zu voll; der Stadtlärm Berlins ebenso. Ich habe böse Fluchtgedanken. Aber keine Sorgen, bisher siegte noch immer die Vernunft.

Ich werde in der kommenden Woche noch einen kleinen Abschlusspost zu diesem Urlaub schreiben. Aber erst muss ich hier richtig ankommen, später die Meilen zusammenrechnen, Häfen zählen, usw.

Freitag, 23. Juni 2017

23.0.2017 Geblieben / Klintholm (DK)

Gegen 6 Uhr weckte mich der Regen, der ordentlich aufs Deck trommelte.
Ich schaute auf das Wetter für heute, grinste und legte mich wieder schlafen.

Kein Wind, dafür Regen oder Nieselregen, mitten am Tag Flaute vor Rügen und gegen Abend Wind bis 7 Bft im westlichen Eingang des Strelasund. Genügend Gründe, um noch einen Tag hier zu bleiben.
Bei der kurze Entfernung (50 sm) reicht es, wenn wir uns am Sonnabend in den Heimathafen aufmachen.
Die Wetteraussichten für Sonnabend sind auch viel netter: leicht bewölkt, Wind mit 4-6 Bft.
Vielleicht werden wir für unser Hierbleiben noch bestraft, aber wir hatten einfach keine Lust, abzulegen.

Noch ein wenig lesen, Musik hören, basteln, schlafen ... Urlaub halt.

Donnerstag, 22. Juni 2017

21./22.06.2017 Ein letzter Stopp / Klintholm (DK)

Mittwoch, 21.06.17

Nach einer sehr kurzen Nacht brachte der nächste Morgen schönes Wetter mit.
Wir waren mal wieder in die Nacht der Abi-Abschlussfeiern in Dänemark gestolpert. Dabei scheint es Tradition zu sein, die Feier mit einem Bad zu beschließen. Wie schon in Kopenhagen letztes Jahr sammelten sich in der letzten Nacht gut 20 - 30 Jugendliche ausgerechnet bei uns am Pier und sprangen nach und nach kreischend, brüllend, lachend ins Wasser. Der Anblick, der sich einem bei einem müden Blick aus dem Niedergang bot, war allerdings sehr lustig. Bis auf ihre Mützen hatten viele nur noch ihre Unterwäsche oder gar nichts mehr an.  Ich habe mal ein Beispielfoto aus Kopenhagen aus dem Netz gefischt:


Ich ging hinaus, um zwei splitterfasernackte junge Herrn zu bitten, unsere Stufe hinten am Heck wieder zu verlassen. Diese hatten sie kurz vorher erklommen, saßen lachend drauf und machten dabei noch mehr Lärm als so schon. Die beiden grinsten, standen auf und sprangen lachend mit Köpper ins Wasser. Allgemein war die Stimmung fröhlich, lustig und alles andere als unfreundlich. Die ganze Truppe wünschte mir noch zuprostend "good night" und verkrümelte sich dann in den nächsten 10 Minuten vom Pier.

Trotz aller Müdigkeit  am Morgen legten wir kurz vor halb zehn ab und machten uns auf, den Sund hinunter nach Süden zu fahren.




Wie weit es heute gehen sollte, stand noch nicht fest. Da es am nächsten Tag wegen südlichen Winden nochmals eine Pause gab, sollte es ein "schöner" Hafen sein.
Zwischen Kopenhagen, Malmö und der Øresundbrücke war wieder ordentlich Verkehr:




So etwas hatten wir vorher noch nie gesehen:

Der kleine Schlepper zog einen ganzen Wohnblock hinter sich her.



Auch wenn der Wind etwas unstet war, ließ er uns doch die gesamte Strecke segeln. Kurz vor der Insel Møn, südwestlich unter dem Ausgang des Sundes, zog der Himmel immer mehr zu. Der Wind schlief in dem Moment ein, als wir sowieso den Motor anwerfen mussten, da wir auf der Südseite der Insel noch 4 Seemeilen Richtung Westen bis zum Hafen Klintholm fahren mussten. Perfekt!


Nach elfeinhalb Stunden und über 77 Seemeilen legten wir in Klintholm an. Davon waren nur 6 Seemeilen unter Motor, der Rest - alles gesegelt.


Nach einem Anlegerbier spazierten wir durch den Hafen zum Automaten, um das Liegegeld zu bezahlen. Da sahen wir eine "alte Bekannte":



Dieses Schiff der deutschen Marine hatten wir erst letztes Jahr vor Skärhamn auf Tjörn gesehen. Da gerade ein Besatzungsmitglied vor uns Richtung Duschen lief, sprach ich ihn einfach an und fragte ihn zu diesem Boot aus. Sehr nett und aufgeschlossen bekamen wir Auskunft, Es handelt sich um die kleinere Version eines Ausbildungsschiffes. Da die Gorch Fock immer noch in der Werft liegt, werden auf diesem Schiff Trainingsmaßnahmen wie Teambuildung und ähnliches durchgeführt. Und ja, letztes Jahr auf Tjörn war er auch dabei.
Da wir uns unterwegs schon was zu essen gemacht hatten, durften wir anschließend sofort in die Koje fallen.




Donnerstag, 22.06.17
Heute wird ausgeschlafen, geduscht, gegammelt, ein Post für den Blog geschrieben, spazieren gegangen, usw.
Morgen gehts auf die letzten 50 Seemeilen bis in den Heimathafen. Der Wind sollte uns mit 4-5 Bft aus West nochmals einen kompletten Segeltag bescheren.
Mal sehen, was Petrus sich für den letzten Tag noch einfallen lässt - er hat ja so einiges wieder gut zu machen.

Dienstag, 20. Juni 2017

20.06.2017 Im Rausch der Wellen / Helsingør (DK)

Wie schon gestern erwähnt, wollten wir uns die heutigen Verhältnisse im Hafen und draußen auf dem Kattegat ansehen, bevor wir uns zum Ablegen entschließen.
Das haben wir getan ... und anderen Bootes zugesehen, die den Hafen verließen. Eins war klar: das Rausfahren durch die Wellen vor dem Hafen wird gar nicht so schlimm. Aber das Ablegen bei immer noch beständigen 6 Bft im Hafen beschäftigte uns etwas länger. Als wir einen Plan hatten, zogen wir uns an, machten das Boot klar und machten uns kurz nach halb elf Uhr ans Ablegen. Keine Chance - der Wind kam vom schräg vorn und drückte uns wieder an den Steg, kaum dass wir mit der Nase 2 m weg waren.
Plan B muss her. Als wir uns noch berieten, kam eine lustige Fünfertruppe deutscher Segler, auf dem  Weg zu ihrem Boot, vorbei und fragte, ob sie uns  bei diesem Wind nicht beim Ablegen zur Hand gehen sollten. Auf unsere Bitte hin schoben sie den Bug von Ari in den Wind, ich löste die letzte Leine, Harry gab Gas und mit viel Gejohle und einem "na, dann mal viel Spaß da draußen"  von unseren Helfern ging es Richtung Hafenausfahrt.

Die Wellen hinter der Außenmole hatten geschätzt einen Meter Höhe und erheblich etwas gegen unser Vorankommen. Aber unser dicker Diesel schob Ari beherzt durchs Wasser. Nach diversen Salzwasserduschen über Ari und uns hatten wir den Flachwasserteil, der die Insel umgibt, hinter uns, konnten etwas vom Wind abfallen und das Vorsegel setzen. Nur mit Vorsegel und Hilfe von satten 6-7 Bft Wind und einer saftigen Welle mit gut 1,5 m  Höhe kamen wir schnell auf 7,5 - 8 ktn Bootsgeschwindigkeit. Wenn wir die von schräg hinten auflaufende Welle gut trafen, surften wir auf ihr hinab und erreichten damit Spitzen bis 10 und 11 ktn. Was will der Mensch mehr?!! Es brauchte nicht viel Kraft, um den Kurs zu halten Vielmehr war ein sehr konzentriertes Steuern gefragt, damit Ari nicht vor den Welle querschlägt.




Wir lösten uns im einstündigen Takt ab. Länger war zwar auch machbar, aber es reichte, um unter Deck zufrieden in einen Kurz-Schlummer zu driften. Danach freute man sich schon wieder auf seine Ruderwache; es machte heute einfach zu viel Spaß.
Die von hinten auflaufende Welle nahm mitten auf dem Kattegat eine beachtliche Höhe an. In manchen Fällen war es ganz gut, dass man - am Ruder stehend - nicht sah, was da angerauscht kam.
Es reichte, wenn man spürte, wie das Heck des Bootes von der Welle angehoben wurde und die Welle unter uns durchrauschte. Ein bisschen wie das Schaukelschiff im Vergnügungspark - nur nasser.

Die Freiwache hat neben dem Schlummern viel Zeit damit verbracht, Fotos und Filme zu machen.

Dieser Surfer heizte am Eingang des Sundes an uns vorbei.

Schloß Kronsburg von der Wasserseite

Nach nicht ganz 9 Stunden (genauer 8 Stunden 50 Minuten) kamen wir in Helsingør an. Wir hatten 62,5 Seemeilen im Kielwasser. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit unter Genua (also nur mit Vorsegel) betrug über 8,3 ktn. Wir waren insgesamt 7 Stunden rein segelnd unterwegs. Das ist doch mal eine Entschädigung für die doofen Fahrten unter Motor.

Erst waren wir enttäuscht, dass der Yachthafen im Norden der Stadt rappelvoll war. Keine Chance zum Anlegen. Aber auf dem Hinweg, der uns bereits hier vorbeiführte war an der Kaimauer zu lesen, das man jetzt auch im Stadthafen direkt am Schloß festmachen darf. Also eine knappe Meile weiter und ... uns erwarteten völlig leere, nagelneue Bootsstege. Das muss unser Glückstag sein.
Das Anlegen klappte bei immer noch 5-6 Bft , diesmal direkt von der Seite, gut.

Jetzt liegen wir mit direktem Blick auf das Schloß zusammen mit einem weiteren Segler und einem Traditionsschiff, lassen uns von den Windböen schaukeln und versuchen gar nicht erst, dieses dümmliche Grinsen abzulegen. Was für ein Wahnsinns-Segeltag!





Montag, 19. Juni 2017

19.06.2017 Sommer am Meer / Anholt (DK)

Der Wind hielt heute, was die Vorhersage versprach - er war schwach. Gut, bleiben wir hier, auf Anholt, mitten im Kattegat.

Etwas angematscht vom gestrigen langen Tag schliefen wir uns richtig aus. Na ja, also ... Harry schlief sich richtig aus. Ich leide teilweise unter seniler Bettflucht, jage nachts klappernde Leinen und nehme dann schon mal den Fotoapparat mit an Deck. Hier eine Aufnahme von letzter Nacht, 1:45 Uhr.



Nach dem Frühstück verzog sich Harry nochmals in die Koje. Ich machte mich mit sommerlicher(!) Kleidung strandschick und eroberte den völlig leeren Strand direkt neben unserem Hafen. 18 °C auf Anholt fühlen sich nach einem Norwegenurlaub an wie 25 °C.



Soweit man sehen konnte, war er wirklich menschenleer. Also markierte ich mein Revier ...


... und lief den ganzen, auf dem oberen Foto sichtbaren, Strandteil ab und tobte mich ein wenig mit dem Fotoapparat aus.







Nach meiner Rückkehr gingen wir in Richtung des Ortes hinter dem Hafen und holten uns im "Mini-Markt" ein paar frische Zutaten für das Abendessen. So langsam leeren sich unsere Vorratsbunker. Wir haben hauptsächlich nur noch "Dauerwaren" an Bord. Und Nudeln gibt es nur an Segeltagen, sonst kommen sie uns noch zu den Ohren raus.

Zurück an Bord setzten wir uns mit einem Gin-Tonic auf unsere "üppige" Badeplattform und feierten diesen schönen Sommertag. Gut, das wir hier geblieben waren.


Ich verbrachte den Nachmittag hauptsächlich an Bord und genoss in Ruhe eines meiner Hörbücher - mal unter Deck, mal im Cockpit.

Harry schnappte sich den wasserdichten Fotoapparat und erkundete die Fauna des sehr sauberen Hafenbeckens. Hier seine Entdeckungen (Auszüge aus Filmmaterial). Diese Meeresbewohner sind recht gut in ihrer Tarnung:

Scholli, die Minischolle (ca. 3 cm groß)

 Grundel war mit ca. 4 cm schon etwas größer, aber auch nicht besser zu sehen ... 


Jacques, die Glasgarnele - mit ca. 5 cm der Rekordhalter

Krabbi Nr.1 war vielleicht (mit Beinen) 4cm groß

Krabbi Nr. 2 war wieder von der ganz kleinen Sorte - max. 3 cm groß

Abends wurde dann gekocht - profane Bratkartoffeln können ja sooo lecker sein. Gleich noch ein wenig Resteküche mit verarbeitet, Spiegelei drauf, Bier dazu, lecker!

Der morgige Tag startet wohl wettertechnisch etwas ruppig. Der Wind soll am Vormittag mit satten 6 Bft direkt auf die Hafeneinfahrt hämmern. Segeln kann man diese Windstärke schon, aber die Ausfahrt aus dem Hafen gegen Wind und Welle (rund 1,20 m ) kann unangenehm werden.
Wir schauen uns das morgen an und entscheiden, wann es weiter geht. Es sind nur noch 160 Seemeilen bis in den Heimathafen und wir haben noch fast eine ganze Woche ....


Sonntag, 18. Juni 2017

18.06.17 Wind! Wind! Wind! / Anholt (DK)


Das fühlte sich fast wie Weihnachten an.... nur wärmer.


Die Sonne scheint, es ist mild und.... es gibt tatsächlich segelbaren Wind. Er heulte seit dem frühen Morgen durch die Wanten der Boote im Hafen.

Dafür sind wir auch artig früh aufgestanden und haben schon gegen halb zehn nach dem üblichen Morgenprogramm den Hafen verlassen. 


Bereits eine halbe Seemeile nach dem Starten des Motors konnten wir die Segel setzen. 
Wie schön!


Wir hatten einen langen Törn vor uns - gut 70 Seemeilen, quer über das Kattegat. Wir wollen nach Anholt, der kleinen dänischen Insel mittendrin.

Der Wind hält sich recht gut und wir kommen unter Segeln auf eine Geschwindigkeit von weit über 7 Knoten. Als der Wind - der Vorhersage entsprechend (hört, hört) - etwas schwächelt, holen wir die Genua ein und setzen das Gennaker. Ja, das Luk habe ich sofort nach dem Hochziehen des Segels verschlossen ... nochmal passiert mir das bestimmt nicht.


Jetzt fegten wir mit bis zu knapp 9 Knoten übers Wasser. Die Welle war klein, der Wind frischte wieder auf - einfach perfekt.
Erst kurz vor dem Hafen drehte der mittlerweile schwache Wind so weit gen Süden, dass das mit diesem Segel nicht mehr machbar war. Wir holten das bunte Tuch ein und fuhren die letzten 10 sm bis in den Hafen unter Motor. Es entspann sich fast zur Wettfahrt. Gleich mehrere deutsche Boote, aus allen möglichen Richtungen kommend, näherten sich unter Motor dem Hafen. Und der war, gezählt an den sichtbaren Masten, schon sehr gut gefüllt.

Nach neuneinhalb Stunden hatten wir knapp 72 Seemeilen im Kielwasser und den Hafen von Anholt vor dem Bug ...


Die heutige Durchschnittsgeschwindigkeit von gut 7,5 Seemeilen die Stunde (rund 14 km/h) ist für unser Dicke schon eine ordentliche Leistung.

Der Hafen ist trotz des abgelaufenen Wochenendes wirklich gut gefüllt, aber es gab noch genug freie Plätze:



Nach dem Anlegen und Aufräumen und Bezahlen und dem Stromanschluss (man hat aber auch viel zu tun) gab es einen großen Topf Nudeln an Butter und Ei und dazu einen Eimer frisch gerieben Parmesan. Für richtig Kochen war nicht genug Elan da. Aber bei unserem Hunger war das die köstlichste Mahlzeit überhaupt.

Alt werden wir heute Abend bestimmt nicht. Der Tag war schön, fordert aber auch seinen Tribut.
Wir schauen noch ein bisschen in die Abendsonne, gießen noch ein wenig Rotwein ins Glas und grinsen vor uns hin. Das war ein schöner Tag - für Segler.

Schöne Abendstimmung im Hafen. Ari liegt im Bild rechts außen.


Morgen gehts weiter südlich. Wir wollen bei etwas schlechterem Wind den Eingang des Sundes erreichen. Von dort sind es nur noch 100 Seemeilne, die wir (höchstwahrscheinlich) in einem längeren Törn über Nacht abreiten werden. Aber - das ergibt sich erst am Montagabend oder Dienstagfrüh.

Samstag, 17. Juni 2017

16./17.06.2017 Die Ostsee hat uns wieder / Ålbæk (DK)

Wir wussten, dass mit gut 90 Seemeilen eine ordentliche Tagesstrecke vor uns lag. Immerhin schafft unser schwimmendes Wohnmobil im Schnitt 6-7 Knoten an Geschwindigkeit. Wir rechneten mit (6 ktn * 94 sm=) rund 15 Stunden Reisezeit.

Als wir pünktlich wie die Maurer kurz nach fünf Uhr den Hafen verließen, schwante uns schon so einiges.



Es war für die angesagte Windgeschwindigkeit ein wenig zu ruhig. In den Vorschären wurde es schon deutlicher und draußen auf dem offenen Meer dann klar - der Wind ist zu schwach.



Die Welle entsprach mit hier schon einem Meter zwar den Vorhersagen, aber der Wind mit mauen 3 Bft überhaupt nicht. Vor allem segelt sich das bescheiden bis gar nicht. Die hohe Welle, oder besser gesagt alte Dünung, von schräg hinten schaukelte das Boot mit so wenig Druck in den Segeln über alle Achsen. Also Segel wieder runter und weiter unter Motorkraft. Wir hatten noch die Hoffnung, dass sich der Wind weiter draußen auf dem Meer schon finden wird. Immerhin war ab Nachmittag ein Starkwindgebiet für das westliche Skagerrak bis Höhe Kristiansand angesagt. Dessen Ausläufer sollten uns gut bis Skagen wehen. Sollten ...
Letzten Endes lief den gesamten Weg der Motor, teilweise mit Unterstützung der Genua und Wellen aus zwei Richtungen mit bis zu 2 m Höhe. Schön ist irgendwie anders, aber mitten auf dem Skagerrak kannste schlecht sagen " ick will nich mehr".

Katamaranfähren sind so unglaublich schnell... diese hier war nett und fuhr einen Bogen um uns.

Am nördlichen Horn von Dänemark, dem Zusammenfluss von Nord- und Ostsee verabschieden wir uns mit einer kleinen Dose Fertig-Cocktail von der Nordsee und begrüßen unsere Ostsee.

Die Skyline von Skagens Ostsee-Seite aus
In Skagen angekommen bestätigte sich unsere, ein paar Meilen vor dem Hafen geäußerte, Befürchtung. Es war Freitag und somit der Hafen voll von schwedischen und dänischen Booten in Partylaune. Es waren lediglich noch einzelne Plätze an Stegen frei, wo man mit Leinen am Steg und das anderen Ende des Bootes mit Anker festmacht. Auf dieses Spielchen hatten wir mit 4 Bft starkem und schräg in den Hafen einfallendem Wind überhaupt keine Lust.

Wir drehten ab, sammelten Fender und Leinen wieder ein und verließen den vollen und lauten Hafen; trotz alle Müdigkeit nach mittlerweile 15 Stunden Fahrt. Ich eilte unter Deck und suchte in den Karten nach dem nächsten, geeigneten Hafen an der dänischen Küste. Die Wahl fiel auf Ålbæk (Olbäk augesprochen). Ein eher kleinerer Hafen für Fischerei- und Sportboote, nur 9 sm entfernt und unsere nächste Hoffnung, Er sollte doch als Nothafen für eine Nacht reichen ...
Weit gefehlt - dieser kleine  Hafen ist ein Geheimtipp - also jedenfalls für uns.
Klein - ja, aber knuffig, liebevoll erhalten und gepflegt. Die WC- und Duschräume sind sehr einfach, der eigentliche Ort 1,5 km entfernt - aber die Stege in bestem Zustand, Strom und Wasser im Preis enthalten, einige schon historische Boote (sehr gut erhalten) in den Boxen und ..... sehr ruhig.





2 Minuten vor 21 Uhr legten wir hier an und waren einfach nur selig.
Nach der langen Schaukelei auf der Nordsee waren wir müde und ein wenig abgekämpft.
Wir "trösteten" uns mit einer großen Portion Miracoli und einer Flasche Rotwein. Das letzte Glas trinken wir im Cockpit. Es ist da bereits 23 Uhr und immer noch schön hell.

Samstag, 17.06.
Ausschlafen, lange Frühstücken, der zweite Kaffee wird im Cockpit geschlürft.
Während ich mich anschließend um den Abwasch des Geschirrs kümmere, befreit Harry das Boot von seiner Salzkruste. Da hilft nur viel Wasser und viel schrubben.



Fertig!
Ålbæk hat links und rechts vom Hafen wunderbaren Sandstrand. Wir packen uns ein paar Sachen ein und marschieren mit dem Fotoapparat in der Hand los.








Leider sind wir nicht sehr weit gekommen. Durch den gestrigen anstrengenden Tag tut meine Verletzung wieder arg weh; das Laufen fällt mir immer schwerer. Wir bummeln zurück, sammeln noch ein paar mehr Muscheln und gammeln im Boot so richtig vor uns hin.




Morgen werden wir uns weiter auf den Rückweg machen - hoffentlich segelnd. Die Vorhersagen versprechen Wind in 4-5 Bft, aber unsere Erfahrung der letzte Wochen lässt uns skeptisch bleiben. Schön wäre es schon, noch ein paar Meilen unter Segeln voranzukommen.